Frauenfußball bei der Alten Dame

So skurril es klingen mag, aber tatsächlich ist die Alte Dame Hertha derzeit der einzige Bundesligist, der keine eigene Damenmannschaft hat oder deren Planung bereits abgeschlossen ist. Das treibt Teile der Mitgliedschaft schon seit längerer Zeit um und so wurde das Thema in den letzten Jahren immer wieder mal auf der MV angeschnitten, ohne dass dabei aber wirklich großartige Anstrengungen unternommen wurden, den Verein, der einen Frauennamen im Vereinsnamen trägt, fußballtechnisch auch für Frauen zu öffnen.

Mit Verweis auf das gute Verhältnis zu Turbine Potsdam wurde immer um Verständnis geworben, dass man sich dort nicht groß engagieren und damit unnötig gegenseitig Konkurrenz machen möchte. So blieb eine Kooperation mit dem 1. FC Lübars Anfang bis Mitte der 2010er noch der ernsthafteste Versuch, sich dem Thema anzunähern. Als die Lübarser Damen dann 2015 sportlich den Aufstieg in die Bundesliga erreichten, den Schritt aber aus finanziellen Gründen jedoch nicht wagen wollten, sprang auch Hertha nicht zur Seite und so endete die Zusammenarbeit ein Jahr später. Nachdem auch eine kurzweilige Kooperation von Lübars mit dem BAK scheiterte, endete das Kapitel Frauenfußball in Lübars alsbald. Zuletzt intensivierte man die Zusammenarbeit mit Turbine und einigte sich auf eine auf drei Jahre ausgelegte Kooperation, im Zuge dessen bspw. Sofian Chahed zur Saison 2020/21 als Trainer nach Potsdam wechselte (und nach der Saison 2021/22 trotz Erreichen des Pokalfinals wieder entlassen wurde).

Nachdem auf der letzten MV schon zu bemerken war, dass das Thema Frauenfußball bei der Basis scheinbar doch von größerer Wichtigkeit ist, soll nun auf der MV im November darüber entschieden werden, ob Hertha zur Saison 2023/24 auch (mindestens) eine Damenmannschaft meldet.

Daraus ergeben sich natürlich gleich einmal zwei wichtige Fragen:

Wo würde die 1. Damenmannschaft der Hertha starten?
Wenn man sich vergleichbare Neugründungen - insbesondere im Bereich NOFV, zu dem Hertha gehört - ansieht (in diesem Fall RB Leipzig), dann ist davon auszugehen, dass die Herthanerinnen in der höchsten Landesspielklasse des Berliner FV (Verbandsliga/4. Liga) neu eingegliedert werden könnten, da es im Fall Leipzig in Sachsen (als weiteres Beispiel Werder in Bremen / Norddeutscher FV) ähnlich gehandhabt wurde. Der VfB Stuttgart musste sogar nicht einmal in der höchsten Spielklasse seines Fußballverbandes (Württemberg) starten (5. Liga), sondern durfte in der Oberliga Baden-Württemberg (4. Liga) beginnen, die von den Fußballverbänden Württemberg, Baden und Südbaden gemeinsam ausgetragen wird, allerdings auch auf das Bundesland Baden-Württemberg beschränkt ist. Der BVB und S04 hingegen starteten in Westfalen mit ihren Teams in der niedrigsten Liga, womit gezeigt ist, dass es hier durchaus verschiedene Szenarien gibt.
Alternativ bestünde die Möglichkeit, das Spielrecht eines anderen Vereins aus der Region zu übernehmen, so es denn dort Interessenten gibt. Da in der 1. und 2. Liga lediglich die 1. und 2. Mannschaft von Turbine Potsdam aus der Region spielen, wäre die höchste Einstiegsmöglichkeit in diesem Fall die Regionalliga Nordost, so es denn hier einen Verein gibt, der sein Spielrecht an Hertha abtreten würde. Teams aus der Region, die aktuell in der Regionalliga spielen sind: 1. FC Union, Türkiyemspor, Viktoria, SFC Stern, Hertha Zehlendorf, FSV Babelsberg, Blau-Weiß Hohen-Neuendorf, wobei mindestens die Hälfte der Teams dort wohl kein Interesse haben dürften. Mit Hertha Zehlendorf besteht zumindest im Juniorenbereich eine Kooperation, der SC Staaken, ebenfalls Kooperationspartner in der Jugend, der letzte Saison in die Regionalliga aufstieg musste sein Team während der Saison leider zurückziehen.

Wo würde die 1. Damenmannschaft organisatorisch aufgehängt sein?
Das dürfte vermutlich im wesentlichen davon abhängen, ob Hertha vorhat. die Nummer 1 in der Region und/oder im geografischen Osten der Republik zu werden, was eine Teilnahme in der Bundesliga (und dort auch in der oberen Hälfte) nötig machen würde oder ob man einfach nur den Bedarf nach Frauenfußball im Verein decken will, dabei aber keine größeren Ziele verfolgt.
In ersterem Fall würde das 1. Frauenteam (ausgehend davon, dass es mindestens zwei Damenmannschaften geben wird) vermutlich in der KGaA eingegliedert, die anderen Teams würden zum e.V. gehören. Im Altennativfall dürften alle Teams dem e.V. zugeschlagen werden. Möglicherweise startet man auch zunächst mit den Damen komplett im e.V. und schaut, wie sich die Sache entwickelt und gliedert die 1. Damenmannschaft bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt aus.

An dieser Stelle mal ein Blick zum Status Quo der restlichen Erstligisten:
FC Bayern München: Frauenfußballteam seit 1970 (Neugründung), aktuell: 1. Bundesliga
Borussia Dortmund: Frauenfußballteam seit 2021 (Neugründung), aktuell: Bezirksliga Westfalen, Staffel 4
Bayer 04 Leverkusen: Frauenfußballteam sein 2008 (Übernahme TuS Köln rrh.), aktuell: 1. Bundesliga
RB Leipzig: Frauenfußballteam seit 2016 (Neugründung), aktuell: 2. Bundesliga
1. FC Union Berlin: Frauenfußballteam seit 1969 (Neugründung), aktuell: Regionalliga Nordost
SC Freiburg: Frauenfußballteam seit 1975 (Übernahme SpVgg Wiehre), aktuell: 1. Bundesliga
1. FC Köln: Frauenfußballteam seit 2009 (Übernahme FFC Brauweiler Pulheim), aktuell: 1. Bundesliga
1. FSV Mainz 05: Frauenfußballteam ab 2023 (Übernahme TSV Schott Mainz), aktuell: Regionalliga Südwest
TSG 1899 Hoffenheim: Frauenfußballteam seit 2007 (Übernahme SG Hoffenheim/St. Leon), aktuell: 1. Bundesliga
Borussia Mönchengladbach: Frauenfußballteam seit 1995 (Neugründung), aktuell: Regionalliga West
SG Eintracht Frankfurt: Frauenfußballteam seit 2020 (Fusion mit 1. FFC Frankfurt), aktuell: 1. Bundesliga
VfL Wolfsburg: Frauenfußballteam seit 2003 (Übernahme WSV Wolfsburg), aktuell: 1. Bundesliga
VfL Bochum: Frauenfußballteam seit 2010 (Übernahme SG Wattenscheid 09), aktuell: Regionalliga West
FC Augsburg: Frauenfußballteam seit 2006 (Neugründung), aktuell: Bezirksliga Schwaben-Süd
VfB Stuttgart: Frauenfußballteam seit 2021 (Neugründung), aktuell: Oberliga Baden-Württemberg
FC Schalke 04: Frauenfußballteam seit 2021 (Neugründung), aktuell: Kreisliga A Herne/Gelsenkirchen
SV Werder Bremen: Frauenfußballteam seit 2007 (Neugründung), aktuell: 1. Bundesliga

Bis zur Mitgliederversammlung soll dieser Thread nun dazu dienen, alle Gedanken rund um den (möglichen) Frauenfußball der Alten Damen zu diskutieren, sei es die Ausrichtung, die Finanzierung, das allgemeine Für und Wider und so weiter, und so fort und... Zudem dürfte es über die hier bereits angerissenen Fragen hinaus sicher noch viele offene Fragen geben, die sich in diesem Thread angemessen diskutieren lassen.
Je nach Ausgang der Wahl wird sich dann zeigen, ob es einen Anschlussthread zu diesem geben muss oder ob das Thema mit dem Votum bei der MV erst einmal ad acta gelegt werden kann.

Da das Thema ja durchaus aus verschiedenen Gründen positiv, neutral oder ablehnend gesehen werden kann, habe ich versucht, bestmöglich die verschiedenen Beweggründe diesbezüglich von starker Befürwortung bis starker Ablehnung gewichtet in den Auswahlmöglichkeiten zu repräsentieren. Schließlich ist ein Meinungsbild dann deutlich aussagekräftiger, wenn man sieht, unter welchen Rahmenbedingungen eine Damenmannschaft gewünscht wird, ob das Thema allgemein als irrelevant betrachtet wird oder warum eine ablehnende Haltung besteht.
This contribution was last edited by PES on Apr 6, 2023 at 1:11 PM hours